Jan aus Pilsen (CZ)

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Augustinverkäufer und Entertainer

Zuerst habe ich versucht, 5 Euro pro Schachpartie zu verlangen. Jetzt sage ich: „Bitte kaufe eine Augustin-Zeitung und Du kannst ein Schachspiel mit mir spielen!“

Jan auf der Mariahilfer Straße, bei der Arbeit

Zu Beginn einer Partie notiere ich mir mit welcher Farbe und gegen wen ich spiele. Also ob Mann oder Frau und woher er oder sie kommt. Zum Beispiel Österreich, Spanien, Niederlande oder Mars. Viele sind von Mars.

Ich schreibe auch auf, wie viele Einwohner die Staaten haben und vergleiche das mit der Anzahl der Bands, die es in diesen Ländern gibt. Ja, ich schreibe mir einiges auf. Am Ende notiere ich, wie die Partie ausgegangen ist.

Reserve-Schachfiguren habe ich nicht. Ich habe genau ein Set und passe gut darauf auf. Wenn eine Figur davonrollt, laufe ich schnell hinterher. Der schwarze Bauer war gerade im Spital, hahaha, siehst Du? Sein Hals war gebrochen und wurde mit Gafferband geheilt.

Ich spiele am liebsten ohne Uhr und bis zum Schluss – auch wenn ich nicht viel bis gar keine Chance habe. Ich weiß, dass es sich auszahlt, hartnäckig zu sein. Manche Freundin hätte ich sicher nicht gehabt, wenn ich gleich aufgegeben hätte, hahaha…

Willst Du eine Partie Schach mit mir spielen? Dann kaufe bitte einen Augustin. Willst Du nur zuschauen? Dann bitte 50 Euro Cent da reinschmeißen. Unterhaltung kostet immer Geld!

Janny aus Wien (A)

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Rentner

Anna: „Er ist das allerbeste.“
Janny: „Nein, nein, stimmt nicht, sie ist das allerbeste.“

Anna und Janny sind seit 10 Jahren verliebt

Seit Jahren komme ich viermal die Woche zum Schach spielen in den Donaupark und Anna ist eigentlich immer mit. Sie spielt nicht, aber tanzt gerne. Das da ist die Tanzfläche. Wir lieben die Gesellschaft hier, lauter nette Leute und …

Toni aus dem Off: „Nanana, nett sa ma net olle.“
(„Nein, nett sind wir nicht alle.“ )

… schau, die Polizei rollert vorbei, das machen sie in dieser Pandemie-Zeit öfters, aber sie lassen uns immer in Ruhe. Wir sind eine Insel der Seligen.

Auch wenn es kalt und windig ist, oder sogar im Winter, hier wird eifrig gespielt. Dazu wird lebhaft geblödelt und werden mehr oder weniger brauchbare Tipps ausgetauscht. Wenn es regnet spielen wir mit Schirm, bis es auch da drunter zu nass wird.

Jetzt vermutest Du warscheinlich, dass ich vor lauter Übung ein sehr starker Spieler bin, nur dem ist nicht so. Ich habe nicht mal eine Elo-Zahl und keine Ahnung von der Theorie. Aber ich habe schon mit 9 Jahren im Hort angefangen und durch das viele Spielen ein gutes Gefühl für Stellungen entwickelt.

Kiebitz Milan zu Janny, der gerade das Spiel am Riesenschach gewinnt: „Gepatzt hat der Marius schon. Die zwei Züge hätte er umgekehrt machen sollen.“ Janny zu Milan:

Magst Du die nächste Partie gegen ihn spielen? Er ist jetzt ganz geschwächt, den habe ich fertig gemacht.

GM Sebastian aus Essen (D)

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Schachbotschafter

Schach ist genial für Kinder. Kinder sind fantastisch im Umgang mit Schach.

Sebastian ist Schach Faszination pur

Kinder stecken voller Mut, Neugier und Ideen. Sie haben in der Regel keine Angst vor Versagen, experimentieren grenzenlos darauf los und wundern sich über Erwachsene, die eine anstehende Situation erstmal zerdenken.

Weil Kinder nicht erst alles erwägen, tun sie sich leichter unbefangen zu reagieren. Das bringt Ihnen einen Haufen Vorteile! Zum Beispiel können sie pure Freude verspüren und haben keine Bedenken Hilfe anzunehmen oder auch mal dem Gegner zu helfen.

Schach ist für Kinder, wie fast alles im Leben, Faszination und Abenteuer. Dass es nebenbei wichtige Kompetenzen stärkt und ihre Konzentration auf spielerische Art verbessert, interessiert sie nicht wirklich.

Manche sind erstmal von den Figuren begeistert, bauen Türme mit Türmen oder hüpfen endlos mit dem Springer rum und strahlen, weil sie dessen komplizierten Gangart verstanden haben. Ich erzähle ihnen, dass Schach einer Ritterburg gleicht, mit Wachtürmen an den Ecken und davor jede Menge Bauern, um den König zu schützen.

Dann spielen sie darauf los als gäbe es kein Morgen.

Unverzagt in eine ungewisse Zukunft.
Kinder meinen, die Zukunft wird grossartig. Ich bin davon absolut überzeugt.
Bestärken wir sie darin. Kopf hoch und nach vorne.

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Eine Minute „Faszination Schach“ in Aktion
Eine Stunde Schachgeflüster mit GM Sebastian Siebrecht

Claus aus Mainz (D) 1955-2022

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Software-Entwickler, IT-Berater

Es war unser letzter Familienurlaub in Garmisch mit allen vier Kindern, auch meinen beiden älteren Geschwistern. Mein Vater hatte ein hübsches Schachspiel gekauft und spielte mit meinem Bruder.

Claus aus Mainz

Ich wollte auch. Nichts für kleine Jungs, hieß es. Dabei war ich schon älter als heute die indischen Großmeister, mindestens 13. Zurück zuhause durfte ich dann auch. Nach ein paar Wochen konnte ich endlich gegen meinen Vater gewinnen. Nun konsultierten meine Eltern ihren Hausarzt. Nicht aus Sorge, sondern weil er bei uns im Vorort im Schachverein war. Nein, Kinder können wir nicht gebrauchen, sagte der Mediziner.

Irgendwann, vielleicht mit 15, habe ich dann endlich den richtigen Schachverein in unserer Stadt gefunden, den TSV Schott Mainz 09. Da lief es besser. Mit 17 durfte ich bei der hessischen Jugendmeisterschaft mitspielen. Ja, Mainz, die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, spielte in Hessen. So wurde ich hessischer Jugendmeister.

Als Wehrpflichtiger hat das Schach richtig viel genützt! Nach sechs blöden Monaten beim Heer kam ich zur Sportfördergruppe. Peter Dankert war schon dort und später kamen Peter Mack und Hans-Werner Ackermann dazu. Dort konnte ich die restlichen neun Monate im Chill-Modus verbringen. Zurück im normalen Leben wurde es mir etwas „fad“, so dass ich mit 21 für immer mit Schach aufgehört habe. Dachte ich.

Doch, 33 Jahre später, erlitt ich einen schlimmen Rückfall. Seitdem nimmt das Schachspiel den größten Teil meiner Freizeit ein. Zuerst bin ich drei Jahre zu jedem Turnier gereist, das ich besuchen konnte. Vorzugsweise im Ausland. Später fingen noch andere Sachen an, so dass ich heute kaum noch dazu komme selbst zu spielen. Ja, das Schicksal kann hart zuschlagen. Ich bereue es trotzdem nicht!

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www.stuttgarter-schachfreunde.de
www.svw.info

Wolfgang aus Landau (D)

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Exeget (Bibelwissenschaftler)

Als ich etwa zehn Jahre alt war, spielte meine ältere Schwester mit unserem Vater eine Partie auf einem wunderbaren Intarsienbrett – eines der ersten Lebensmöbel meines Bruders.

Der Steirer wohnt seit 2008 in der Pfalz

Nach einiger Zeit des stummen, staunenden Zuschauens begann mit dem Satz „Ich weiß jetzt, wie die Türme ziehen!“ eine Faszination, die bis heute währt.

Ein paar Jahre später spielte ich selbst einen ganzen Sommer lang jeden Tag eine Partie gegen meinen Vater – die ich alle verlor. Sein Spielstil erinnerte an Halma: Bauernketten wurden errichtet (a3-b4-c3-d4-e3 usw.); die Figuren irgendwie zwischendurch manövriert.

Erst als er mir dann zu Weihnachten Capablancas „Grundzüge der Schachstrategie“ und Euwes „Schach von A-Z“ schenkte, lernte ich den Wert der Figuren kennen. Eine unserer ersten Partien danach begann mit 1.e4 e5 2.Sf3 f6? 3.Sxe5!

Schachklub Landau existiert seit 1908 und in 1909 war der berühmte Wiener Meister Rudolf Spielmann zum Simultan vor Ort. Aktuell bringt uns ein motiviertes und kompetentes Vorstandsteam durch die Corona-Krise, wobei wir gelernt haben, dass auch in der virtuellen Welt Engagement wichtig ist. So haben wir uns an einer intensiven Debatte auf dem Schach-Server Lichess beteiligt, die dazu führte, dass es dort jetzt auch Turniere nach Schweizer System gibt.

Es ist spannend zu sehen, wie sich in der gegenwärtigen Krise das Vereinsleben verändert und geografische Distanzen aufgehoben werden. In unserer Quarantäne-Liga-Mannschaft spielen regelmäßig Mitglieder mit, die in Berlin oder Chicago leben. Ich bin sicher: Der Schachverein der Zukunft wird ein „blended chess club“ (ein „gemischter Schachverein“) sein, der Offline- und Online-Angebote clever miteinander verknüpft.